Trauma verstehen – Lara erlebt Mobbing

Trauma – unsichtbare Wunden

Wie Trauma tief wirkt 

Trauma – dieses Wort klingt für viele nach Katastrophen, Unfällen oder extremer Gewalt. Doch Trauma kann auch leise sein. Es kann sich einschleichen, fast unsichtbar, über Tage, Wochen, Monate – zum Beispiel durch Mobbing. Was von außen wie „harmlose Hänseleien“ erscheint, kann im Inneren eines Menschen eine tiefe Wunde hinterlassen.

Als das Leben für Lara still wurde

So wie bei Lara, Sie war 15, als sich ihr Wesen veränderte. Früher war sie lebendig, offen, neugierig auf das Leben. Doch nach Monaten ständigen Mobbings in der Schule zog sie sich immer mehr zurück. Sie war häufig krank, wirkte im Unterricht abwesend und gereizt. Zuhause war sie kaum noch ansprechbar. Oft in ihrem Zimmer zusammengerollt, still. Niemand wusste, was mit ihr los war. Doch tief in ihr hatte sich etwas festgesetzt, das nicht einfach „weggeht“ – ein Trauma.

Wenn das Nervensystem überfordert ist

Denn Trauma ist nicht das Ereignis selbst, sondern die Reaktion unseres Nervensystems auf eine Situation, die zu schnell, zu bedrohlich oder zu überfordernd war, um verarbeitet zu werden. Wenn wir in einem Moment keine Möglichkeit haben zu fliehen, uns zu wehren oder Hilfe zu bekommen, schaltet unser Körper auf ein uraltes Überlebensprogramm um. Kampf oder Flucht sind dann nicht möglich – also friert das System ein. Die Energie bleibt im Körper gespeichert, das Erlebte kann nicht als vergangen abgespeichert werden – es bleibt innerlich gegenwärtig.

Die Biologie des Traumas

In Laras Nervensystem hatten sich über Wochen hinweg Ohnmacht, Scham und Hilflosigkeit angesammelt. Sie war dem Geschehen ausgeliefert, ohne Schutz, ohne Hilfe. Ihr Körper reagierte mit Erstarrung – einem Zustand, in dem alles wie betäubt ist. Und so äußerte sich ihr Trauma nicht in Worten, sondern im Verhalten: Sie wurde schreckhaft, konnte nicht schlafen, hatte körperliche Beschwerden, zog sich zurück oder explodierte bei Kleinigkeiten. Vor allem aber: Sie fühlte sich innerlich leer. Entfremdet. Als wäre sie nicht mehr ganz sie selbst.

Alles was du fühlst macht Sinn

Diese Taubheit ist kein Mangel an Gefühl – sie ist ein Schutz vor zu viel Gefühl. Das Nervensystem kann nicht unterscheiden zwischen „damals“ und „jetzt“. Es bleibt in Alarmbereitschaft – der Körper lebt, als würde das Trauma noch immer passieren.

Wenn das Erlebte nicht als vorbei empfunden wird

In solchen Momenten übernimmt das Überlebenssystem die Kontrolle: Die Amygdala schlägt Alarm, der Körper wird für Flucht oder Kampf mobilisiert. Wenn beides nicht möglich ist, folgt Erstarrung. Der Hippocampus – der Teil, der Erinnerungen zeitlich einordnet – wird heruntergefahren, und der präfrontale Kortex – unser denkender Verstand – schaltet sich ab. Die Welt wird zur Bedrohung, der Körper bleibt im Ausnahmezustand.

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann sich direkt nach dem Ereignis entwickeln – oder erst Monate später. Typisch sind drei Hauptsymptome: Wiedererleben, Vermeidung und Übererregung. Flashbacks, Albträume, körperliche Reaktionen auf Trigger sind häufig. Betroffene meiden Situationen, Menschen oder Gedanken, die sie erinnern könnten. Und ihr Körper bleibt in Alarmbereitschaft: Schreckhaftigkeit, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen. Dazu kommt oft eine innere Leere, ein Gefühl der Entfremdung – als wäre man von sich selbst abgeschnitten.

„Mit mir stimmt etwas nicht“ – Ein Gefühl, das viele Menschen mit Traumata teilen

Diese Symptome sind kein Zeichen von Schwäche. Sie sind Schutz. Der Körper versucht, sich vor einer Bedrohung zu schützen, die eigentlich vorbei ist. Doch das Nervensystem hat es noch nicht verstanden. Es bleibt wachsam – ständig auf der Suche nach Sicherheit. Diese unbewusste, permanente Gefahrenwahrnehmung nennt man Neurozeption. Bei Menschen mit Trauma ist sie überaktiv. Selbst harmlose Reize können den Alarm auslösen.

Heilung ist möglich – wenn der Körper mit einbezogen wird

Die gute Nachricht ist: Heilung ist möglich. Und sie beginnt nicht im Kopf – sondern im Körper. Traumatherapie setzt nicht beim Erzählen an, sondern beim Wieder-Fühlen. Zuerst geht es darum, Stabilität aufzubauen. Sicherheit spürbar machen. Durch Atemtechniken, durch kennenlernen vom inneren sichern Ort, Körperwahrnehmung, das Setzen von Grenzen lernt der Körper: Ich bin jetzt sicher.

Danach folgt der Aufbau innerer Ressourcen: stärkende Bilder, Erinnerungen, innere Begleiter oder Helferfiguren. Diese Ressourcen machen das Nervensystem widerstandsfähiger und bereiten auf die eigentliche Traumabearbeitung vor. Erst wenn diese Basis steht, kann das eingefrorene Erleben vorsichtig gelöst werden – nicht über Worte, sondern über körperliche Erfahrung.

Imagination als Schlüssel 

Ein zentrales Werkzeug in der Trauma Arbeit ist die Imagination. Sie ist kein Ausweichen – sie ist ein innerer Ort der Erfahrung. In einer Sitzung wird Lara eingeladen, die Augen zu schließen und sich einen sicheren Ort vorzustellen. Vielleicht einen Wald. Vielleicht ein Wohlfühlort mit warmem Licht. Dort ist jemand bei ihr – vielleicht eine Figur, etwas was sie schützt. Jemand der sie sieht, sie beschützt und ihr das Gefühl von Sicherheit schenkt. Dieses Gefühl darf Lara am eigenen Körper spüren, mit allen Sinnen erleben.

Laras Körper reagiert mit Tränen weil sie etwas Neues erlebt: Sicherheit, Verbindung, Halt. In ihrem Gehirn beginnt sich etwas zu verändern. Die Amygdala beruhigt sich. Der Vagusnerv aktiviert das soziale Sicherheitssystem. Der Hippocampus kann das Erlebte neu einordnen. Und der Verstand – der präfrontale Kortex – wird wieder aktiv. Wichtig ist, dass der Körper versteht: Es ist vorbei.

Laras Weg zurück ins Leben

Lara hat eine solche Therapie gemacht. Es war kein einfacher Weg, aber ein heilsamer. Schritt für Schritt fand sie zurück zu sich selbst. Sie konnte Gefühle wieder zulassen, sich spüren, verstehen, was mit ihr geschehen war – ohne sich dafür zu schämen. Sie lernte, für sich einzustehen, sich abzugrenzen, Beziehungen wieder zuzulassen. Heute lebt sie mit neuer Lebensqualität. Sie ist kein anderer Mensch geworden – aber sie ist wieder bei sich angekommen.

Trauma verschwindet nicht – aber es kann seine Macht und Kraft verlieren

Trauma wird nicht einfach gelöscht. Aber es kann verwandelt werden. Integriert werden. Die Erinnerung bleibt, manchmal wird sie sogar klarer, doch sie verliert ihre emotionale Ladung. Die Vergangenheit hat keine Macht mehr über das Jetzt. Es wird ein Teil der Geschichte – nicht mehr ihr Zentrum. Heilung bedeutet nicht Vergessen, sondern sich Wiederverbinden mit dem eigenen wahren Selbst.

Hilfe annehmen lohnt sich

Trauma ist kein rein psychisches Thema. Es ist ein körperlich gespeichertes Erleben – tief verankert im Nervensystem. Es entsteht in Momenten, in denen wir überwältigt, allein und schutzlos waren. Und genau deshalb kann es nicht allein über den Verstand gelöst werden.
Heilung geschieht nicht durch Denken – sie geschieht durch Fühlen. Durch neue, sichere Erfahrungen im Körper.

Als soziale Wesen sind wir auf andere Menschen angewiesen, um uns zu entwickeln – und um zu heilen. Die Vorstellung, traumatische Erfahrungen allein durch Selbsthilfebücher aufzulösen, greift zu kurz und ist oft sogar kontraproduktiv. Denn das Gefühl, alles allein schaffen zu müssen, ist häufig selbst Teil einer alten Überlebensstrategie – entstanden in einer Zeit, in der niemand da war.

Die inneren Verstrickungen, die aus Trauma entstehen, sind oft so komplex, dass es einen klaren, einfühlsamen Blick von außen braucht. Gerade deshalb braucht es Mut, sich in Beziehung zu begeben. Mut, sich halten zu lassen. Mut, neue Erfahrungen zuzulassen – die das Nervensystem langsam davon überzeugen: Diesmal ist es anders. Denn Verletzungen entstehen in Beziehung – und sie brauchen Beziehung, um zu heilen.

Meine Passion ist es, Menschen in genau diesem Prozess zu begleiten.
Aus Theorie und aus eigener Erfahrung. Ich weiß, wie es sich anfühlt, sich verloren zu fühlen – und wie heilsam es sein kann, wieder in Kontakt zu kommen: mit sich selbst, mit anderen, mit dem Leben.

Ich bin da für Dich!